Masala zu Ukraine-Krieg: Schwere Angriffe "ein Signal von Putin"
Interview
Experte zu Ukraine-Krieg:Masala: Schwere Angriffe "ein Signal von Putin"
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Nach einem Telefonat mit Trump hat Putin die Ukraine erneut mit schweren Angriffen überzogen. Experte Masala erkennt darin ein Muster - und sieht Versäumnisse der Europäer.
Europa habe die letzten drei Jahre unter der Biden-Administration verschlafen. Nun müsse man der Ukraine bei der Produktion helfen, sagt Politikwissenschaftler Masala.04.07.2025 | 4:40 min
Kein Fortschritt bei den Gesprächen, stattdessen schwere Luftangriffe auf Kiew: Nach einem weiteren Telefonat von US-Präsident Donald Trump mit Russlands Staatschef Wladimir Putin am Donnerstag ist weiter keine Aussicht auf eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg.
Am Freitag telefonierte der „nicht glückliche“ und ernüchterte Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Trump soll laut Medienberichten über die Lieferung neuer Luftverteidigungssysteme in das Land nachdenken, nachdem die USA einen Tag zuvor bereits zugesagte Waffenhilfen gestoppt hatten.
Im Gespräch mit dem ZDF heute journal ordnet Professor Carlo Masala die jüngsten Entwicklungen ein, spricht über die Rolle der USA und erklärt, weshalb Europa die amerikanischen Lieferungen kurzfristig nicht wird ersetzen können.
Sehen Sie das Gespräch in voller Länge oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen.
Schwere Angriffe "Signal von Putin"
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe in den vergangenen Tagen mehrfach über ein "Muster" gesprochen, dass Putins Telefonate mit Trump "üblicherweise mit umso härteren Angriffen begleitet werden", sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Freitag. Masala teilt diese Einschätzung:
Jedes Mal, wenn Trump mit Putin telefoniert, gibt es dann unmittelbar darauf einen sehr heftigen Drohnen- und Raketenangriff - meist auf Kiew oder auf Odessa.
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Professor Carlo Masala, Universität der Bundeswehr in München
Das sei "ein Signal von Putin", wie wenig er von diesen direkten Gesprächen halte, sagt Masala. Ob Trump aus seiner Enttäuschung diesmal Konsequenzen ziehe, wisse man noch nicht abschließend.
Es sollen die schwersten Angriffe seit Kriegsbeginn gewesen sein. Noch kann die Ukraine standhalten. Doch sie braucht dringend größere Unterstützung bei der Flugabwehr.04.07.2025 | 2:54 min
Selenskyj hatte sich am Freitag nach seinem Telefonat mit Trump optimistisch gezeigt und erklärt, man habe über "Möglichkeiten für die Flugabwehr gesprochen und vereinbart, dass wir an einem besseren Schutz des Luftraums" arbeiten. Auch Merz hatte am Donnerstag in einem Gespräch mit Trump für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine geworben.
Quelle: unibw.de
… ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München. Zuvor arbeitete der Experte für Sicherheitspolitik und transatlantische Beziehungen am Nato Defence College in Rom.
Masala: Militärische Notwendigkeit für Liefer-Stopp "schwer vorstellbar"
Den Teil-Stopp der Waffenlieferungen begründeten die USA mit der Sorge um die sinkenden eigenen Bestände. Masala hält es allerdings für "schwer vorstellbar", dass durch die Lieferung der jetzt zurückgehaltenen System oder die Munition "die amerikanischen Streitkräfte an die Grenze ihrer Verteidigungsfähigkeit kommen würde".
Wenn Sie sich aber die Liste ansehen, die gestern veröffentlicht wurde, dann muss man sagen, ist das jetzt nicht wahnsinnig viel, was zurückgehalten wird, was für die Ukraine vorgesehen war.
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Professor Carlo Masala, Universität der Bundeswehr in München
Auch Kanzler Merz hat mit Donald Trump telefoniert. Themen: die Sicherheitslage in der Ukraine und mögliche Unterstützung. ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann berichtet.04.07.2025 | 1:19 min
Dabei handele es sich auch um "Luft-Luft-Raketen aus den 70er Jahren", sagt Masala. Statt einer Erschöpfung der US-Army-Bestände sei eher davon auszugehen, dass der US-amerikanische Verteidigungsminister und einer seiner Stellvertreter als Verantwortliche für die Entscheidung "ohnehin die ganze Zeit die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellen wollen". Im Pentagon gebe es Leute, die das "auch schon während des Wahlkampfes" gesagt hätten.
Von daher glaube ich nicht, dass es wirklich mit militärischen Notwendigkeiten zu tun hat.
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Professor Carlo Masala, Universität der Bundeswehr in München
Auch die Aufgeschlossenheit für europäische Waffenkäufe für die Ukraine sei bei diesen Leuten nicht groß.
Das ist eher was, womit man möglicherweise Trump bekommen könnte, der das dann als ein Deal verkaufen kann.
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Professor Carlo Masala, Universität der Bundeswehr in München
"Europa hat die letzten drei Jahre verschlafen"
Dass die Europäer die Produktion der US-Amerikaner ersetzen können, glaubt Masala nicht.
Nein, es gibt Dinge, die die Europäer nicht haben oder erst noch produzieren werden.
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Professor Carlo Masala, Universität der Bundeswehr in München
Dabei gehe es beispielsweise um Patriot-Interzeptoren, die in Zusammenarbeit mit einer amerikanischen Firma in Deutschland produziert werden sollen, aber wohl erst Ende 2026 zur Verfügung stehen werden, sagt Masala. Die Ukraine benötige diese Interzeptoren aber bereits jetzt - "und die kann man dann halt nur in den USA kaufen und dann in die Ukraine schicken".
In der Ukraine werden die US-Lieferungen dringend erwartet: Raketen und Munition, auch für Patriot-Systeme, sollen angeblich aus Sorge vor eigenen Engpässen zurückgehalten werden.02.07.2025 | 2:35 min
Die jetzige Lage habe auch mit Versäumnissen in der Vergangenheit zu tun, unterstreicht Masala. Während die Biden-Administration sich langsam aus den Waffenlieferungen an die Ukraine zurückzog habe man in Europa nicht auf eine erhöhte Produktion gedrängt.
Man muss da ganz einfach sagen, Europa hat die letzten drei Jahre unter der Biden-Administration da verschlafen.
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Professor Carlo Masala, Universität der Bundeswehr in München
Luftverteidigung sei für die Ukraine "enorm wichtig", betont Masala. Trotzdem könne "nicht so viel in die Ukraine kommen, dass keine Rakete durchkommt".
Das Interview führte Marietta Slomka, Moderatorin des heute journals. Zusammengefasst hat es Julian Vulturius.
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